Interview Professor Throm

„ES GEHT BERGAUF!“
DESIGN-PROFESSOR THROM AUS PFORZHEIM MACHT MUT

Er ist Experte für Gestaltung und kennt die Schmuck- und Uhrenbranche besonders gut. Professor Michael Throm von der Hochschule Pforzheim. Seiner Meinung nach ist die Talsohle durchschritten, es geht wieder bergauf.

Professor Michael Throm ist seit 2009 Dekan der Fakultät für Gestaltung (DESIGN PF) an der renommierten Hochschule Pforzheim. Zugleich ist er sehr bewandert in der Schmuck- und Uhrenbranche Pforzheims. Woran sie krankt, wie ihre Zukunft ausdert, stand der Massenschmuckgedanke im Vordergrund – und Pforzheim wurde angreifbar durch Ware aus Billiglohnländern.“ Der Istzustand? „Natürlich kennen wir auch die Arbeitsmarktzahlen. Doch die Talsohsieht, wer überlebt, hier seine fachmännische Einschätzung:

Schmuckindustrie der Vergangenheit? „Pforzheim war in seinen Gründungsjahrzehnten in der Branche ein Innovationsmotor. Danach, Ende des 19. Jahrhunderts bis weit ins 20. Jahrhundert, stand der Massenschmuckgedanke im Vordergrund – und Pforzheim wurde angreifbar durch Ware aus Billiglohnländern.“

 

Der Istzustand?

„Natürlich kennen wir auch die Arbeitsmarktzahlen. Doch die Talsohle scheint erreicht. Die Branche hat sich wieder erholt und sieht ihre Chance heute im Wiederentdecken alter Techniken, wie beispielsweise dem Skelettieren, dem Guillochieren, der Handwerkskunst im Allgemeinen, aber auch im Einsatz neuer Materialien. Insofern wird sie wieder Innovationsmotor. In den manufakturellen Tätigkeiten und Techniken sind wir weiter Weltspitze.“

 

Die Zukunft?

„Der Schmuckmarkt ist weltweit prosperierend. Kollegen berichten, dass es vermehrt um das Handwerk im Design geht. Diese Strömung, die auf das Machen und Handarbeit (Craftsmanship) setzt, ist nicht mehr wegzudenken. Die Individualisierung und der Manufakturgedanke spielen eine große Rolle. Ob diese Tendenzen auch Auswirkungen auf Pforzheim haben, können wir nicht sagen. Aber es gibt sie noch, die alten Werkstattmeister. Das macht Pforzheim für unsere Studierenden so interessant. Es findet ein reger Austausch statt, ein Technologietransfer, ähnlich einer Staffelübergabe. Das ist unter anderem eine unserer Aufgaben als Hochschule.“

 

Standpunkt Luxus?

„Für jeden bedeutet Luxus etwas anderes. Für den einen ist es beispielsweise der Gewinn von Zeit, für den anderen Brillieren mit Bling-Bling. Wir haben festgestellt, dass bei Menschen in der zweiten ‚Generation Reichtum‘ oft Sinnkrisen auftreten. Das für sie Wertvolle liegt dann zum Beispiel bei einer Uhr eher in der Technik statt im diamantbesetzten Zifferblatt. Luxus ist ein gewaltiger Markt mit hoch individualisierten und elaborierten Produkten. Das Unternehmen Wellendorff bedient dieses Segment sehr clever. Man erkennt die Marke sofort an dem ganz spezifischen Design. Der manufakturelle Gedanke, wie an der Kordel sichtbar, wird zu einem wichtigen Bestandteil des ausgestrahlten Werts.“

 

Wer hat Überlebenschancen?

„Ich ermutige unsere Studierenden zur Selbständigkeit. Etwa die Hälfte wagt diesen Schritt, andere gehen in Anstellung. Allerdings braucht ein idealistischer Designer auch einen knallharten Betriebswirtschaftler an seiner Seite. Etwas Fortune und Unterstützung gehören auch dazu.“

 

Die kommenden 250 Jahre?

„Ich wünsche mir eine neue Aufbruchsstimmung, mehr Unternehmergeist und ein Verfolgen des Manufakturgedankens – auch auf großer Bühne. Dazu größeren Stiftergeist und Businessengel für junge und frische Ideen. Man sollte sich nicht ewig auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen. Ich freue mich, dass Pforzheim sich jetzt einen Ruck gibt und feiert.“

AUSSTELLUNG & SYMPOSIUM ÜBER LUXUS

Zu „250 Jahre Goldstadt“ präsentiert die Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim mit Partnern eine Ausstellung zum Thema „Luxus!?“. Thematisiert werden historische, zeitgenössische und zukünftige Konzepte von Luxus. Außerdem wird gefragt: Was bedeutet Luxus in sich entwickelnden und für gesättigte Märkte? Ist Luxus der Bruch mit den Vorstellungen vom Passenden?

19. 05. – 25. 06. 2017

Alfons-Kern-Turm

Begleitet wird die Ausstellung von einem durch den BV Schmuck+Uhren geförderten Symposium, das Luxus-Positionen herausragender Designer, Consultants und Kulturtheoretiker vorstellt. Wie sehen künftige Luxus-Produkte im Detail aus, was ist der Luxus der Zukunft?

23./24. 06. 2017

Fakultät für Gestaltung

Hochschule Pforzheim

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