Eine spröde Schönheit
Die ursprüngliche Römergründung – der Name leitet sich ab vom lateinischen „portus“ (etwa soviel wie „Flusshafen“ oder „Stapelplatz“) – und badische Residenzstadt wurde bereits im 17. Jahrhundert mehrfach durch französische Truppen zerstört. Im Zweiten Weltkrieg legte dann ein britischer Luftangriff rund 80 Prozent des Stadtgebietes in Schutt und Asche – es gab fast 18.000 Tote. Die Spuren sind bis heute im Stadtbild nachvollziehbar. Und doch konnte sich hier an der Pforte zum Schwarzwald ein weltbekanntes Zentrum der Schmuck- und Uhrenkultur entwickeln und etablieren. Pforzheim gilt bis heute als „Goldstadt“. Verdanken kann sie das Markgraf Karl Friedrich von Baden, der 1767 die Schmuck- und Uhrenindustrie begründete – ursprünglich als „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“: Er ließ im staatlichen Waisenhaus Pforzheims Schmuck fertigen, wie heute noch eine Gedenktafel an der Mauerruine des
ehemaligen Landeswaisenhauses erinnert.
„Die traditionelle Pforzheimer Infrastruktur ermöglicht es, die gesamte Wertschöpfungskette zum Thema Schmuck abzubilden. Gemeinsam mit Hightech, Qualität, Präzision und Design macht dies Pforzheim als Schmuckkompetenzzentrum stark und außergewöhnlich.“
Ina Zeiher-Zimmermann, Hauptgeschäftsführerin BV Schmuck + Uhren Pforzheim
DER AUFSTIEG ZUR GOLDSTADT
Was die Pforzheimer daraus geschaffen haben, ist ihr eigenes Verdienst. Das lukrative Geschäft ließ in wenigen Jahrzehnten Pforzheim wachsen und reich werden. In den Hochzeiten produzierten hier hunderte von Firmen Schmuck und Uhren, zehntausende Menschen aus Pforzheim und Umgebung waren in der Industrie beschäftigt – die großen Namen von damals wie Daub, Rodi & Wiedenberger, Kollmar & Jourdan, Trautz oder Speidel klingen Kennern in den Ohren. Auch heute noch werden in Pforzheim und dem Enzkreis etwa 75 Prozent der deutschen Schmuckwaren produziert. Und ob Sydney, Hongkong, Las Vegas oder Vicenza: Kennern der Branche ist Pforzheim ein stehender Begriff. Der weltweite Wettbewerb erfasste in den letzten Jahrzehnten jedoch auch die Pforzheimer Traditionsindustrie. Selbst wenn die bundesdeutsche
Schmuckindustrie heute noch von Pforzheim dominiert wird, der größte Teil der Herstellung findet ansonsten außerhalb Deutschlands statt. Viele Unternehmen in Pforzheim haben in den letzten Jahrzehnten einen radikalen Wandel vollzogen. Heute ist die Stadt ein wirtschaftsstarker Standort mit einer einmaligen Kombination aus Kernkompetenzen in den Bereichen (Edel-)Metallverarbeitung, Präzisionstechnik, Medien und Informationstechnologie sowie der Kreativwirtschaft und dem Distanzhandel (wie dem Katalogversand). Auf unserer Tour durch Pforzheim lernten wir, dass diese sich – ob mittelbar oder unmittelbar – auch und gerade aus der Schmuck- und Uhrenindustrie entwickelten. Seien es der Katalogversand, der als Schmuckversand begann (Pforzheims Postamt war einmal eines der größten Europas), die medizinische Präzisionstechnik oder die Dentalindustrie. Denn geblieben sind die Pforzheimer Kernkompetenzen: die Fähigkeit zum präzisen Arbeiten – wie dies im Uhren- und Schmuckhandwerk unabdingbar ist – sowie das Wissen um den Wert von Handwerk und Design.